Die Auferstehung Jesu Christi ist Gottes Ja zu Christus und seinem genugtuenden Werk.
Das Kreuz war das Ende, der Tod des Sohnes Gottes, Fluch und Gericht über alles Fleisch. Wäre das Kreuz das letzte Wort über Jesus, dann wäre die Welt in Tod und Verdammnis ohne Hoffnung verloren, dann hätte die Welt über Gott den Sieg davongetragen. Aber Gott, der allein für uns das Heil vollbrachte, – „aber das alles von Gott“ – 2. Kor. 5, 18 – erweckte Christus von den Toten. Das war der neue Anfang, der dem Ende als Wunder von oben folgte, nicht wie der Frühling nach festem Gesetz, sondern aus unvergleichlicher Freiheit und Macht Gottes, die den Tod zerbricht. „Die Schrift hat verkündet das, wie ein Tod den andern fraß“ (Luther). So hat Gott sich zu Jesus Christus bekannt, ja wie der Apostel geradezu sagen kann: Die Auferstehung ist der Tag der Erzeugung des Gottessohnes (Acta 13, 33 Röm 1, 4). Der Sohn empfängt seine ewige göttliche Herrlichkeit zurück, der Vater hat den Sohn wieder. So ist Jesus als der Christus Gottes, der er von Anbeginn an war, bestätigt und verherrlicht. So ist aber auch das stellvertretende genugtuende Werk Jesu Christi von Gott anerkannt und angenommen. Am Kreuz hatte Jesus den Schrei der Verzweiflung geschrieen und sich dann in die Hände seines Vaters befohlen, der aus ihm und seinem Werk machen sollte, was ihm gefiel. In der Auferstehung Christi ist es gewiß geworden, daß Gott zu seinem Sohn und dessen Werk ja gesagt hat. So rufen wir den Auferstandenen als den Sohn Gottes, den Herrn und Heiland an.
Die Auferstehung Jesu Christi ist Gottes Ja zu uns.
Christus starb um unserer Sünde willen, er wurde auferweckt um unserer Gerechtigkeit willen (Röm 4, 25). Christi Tod war das Todesurteil über uns und unsere Sünden. Wäre Christus im Tode geblieben, so wäre dieses Todesurteil noch in Kraft; „wir wären noch in unseren Sünden“ (1. Kor. 15, 17). Weil aber Christus auferweckt ist vom Tode, darum ist das Urteil über uns aufgehoben, und wir sind mit Christus auferstanden (1. Kor 15). Das ist so, weil wir ja kraft der Annahme unserer menschlichen Natur in der Fleischwerdung in Jesus Christus sind; was ihm widerfährt, widerfährt uns; denn wir sind von ihm angenommen. Das ist kein Erfahrungsurteil, sondern ein Urteil Gottes, das im Glauben an Gottes Wort anerkannt werden will.
Die Auferstehung Jesu Christi ist Gottes Ja zur Kreatur.
Nicht Zerstörung, sondern Neuschöpfung der Leiblichkeit geschieht hier. Der Leib Jesu geht aus dem Grabe hervor, und das Grab ist leer. Wie es möglich, wie es zu denken ist, daß der sterbliche und verwesliche Leib nun als der unsterbliche, unverwesliche, verklärte Leib da ist, bleibt uns verschlossen. Nichts vielleicht wird durch die Verschiedenartigkeit der Berichte über die Begegnung des Auferstandenen mit den Jüngern so deutlich, wie dies, daß wir uns über die neue Leiblichkeit des Auferstandenen keine Vorstellung zu machen vermögen. Wir wissen, es ist derselbe Leib – denn das Grab ist leer; und es ist ein neuer Leib – denn das Grab ist leer. Wir wissen, Gott hat die erste Schöpfung gerichtet, und er hat eine neue Schöpfung in der Gleichheit der ersten geschaffen. Nicht eine Christusidee lebt fort, sondern der leibliche Christus. Das ist Gottes Ja zur neuen Kreatur mitten in der alten. In der Auferstehung erkennen wir, daß Gott die Erde nicht preisgegeben, sondern sich zurückerobert hat. Er hat ihr eine neue Zukunft, eine neue Verheißung gegeben. Dieselbe Erde, die Gott schuf, trug den Sohn Gottes und sein Kreuz, und auf dieser Erde erschien der Auferstandene den Seinen, und zu dieser Erde wird Christus am letzten Tage wiederkommen. Wer die Auferstehung Christi gläubig bejaht, der kann nicht mehr weltflüchtig werden, er kann aber auch nicht mehr der Welt verfallen, denn er hat mitten in der alten Schöpfung die neue Schöpfung Gottes erkannt.
Die Auferstehung Jesu Christi fordert den Glauben. Es ist das einmütige Zeugnis aller Berichte, so uneinheitlich sie sonst das hier Geschehene und Erlebte wiedergeben, daß der Auferstandene sich nicht der Welt, sondern nur den Seinen zeigt (Acta 10, 40 f). Jesus stellt sich nicht einer unparteiischen Instanz, um sich so vor der Welt das Wunder seiner Auferstehung beglaubigen zu lassen und sie damit zur Anerkennung zu zwingen. Er will geglaubt, gepredigt und wieder geglaubt sein. Die Welt sieht sozusagen nur das Negativ, den irdischen Abdruck des göttlichen Wunders. Sie sieht das leere Grab und erklärt es sich (obwohl in wissentlichem Selbstbetrug!) als den frommen Betrug der Jünger (Mt. 28, 11 ff.); sie sieht die Freude und die Botschaft der Jünger und nennt sie Vision, Autosuggestion. Die Welt sieht die „Zeichen“, aber sie glaubt das Wunder nicht. Nur dort aber, wo das Wunder geglaubt wird, werden die Zeichen zu göttlichen Zeichen und Hilfen für den Glauben.
Das leere Grab ist für die Welt ein vieldeutiges historisches Faktum, für die Gläubigen ist es das aus dem Wunder der Auferstehung notwendig folgende und es bestätigende geschichtliche Zeichen des Gottes, der in der Geschichte mit den Menschen handelt. Es gibt keinen historischen Beweis für die Auferstehung, sondern nur eine Anzahl auch für den Historiker höchst eigenartiger, schwer deutbarer Tatsachen, z.B. das leere Grab, (denn wäre das Grab nicht leer gewesen, so wäre dieses stärkste Gegenargument gegen die leibliche Auferstehung ja gewiß zur Grundlage der christenfeindlichen Polemik gemacht worden; hingegen begegnet uns dieser Einwand nirgends, vielmehr wird das leere Grab gerade von der Gegenseite bestätigt [Mt 28,11]), [z.B.] die plötzliche Wendung der Dinge zwei Tage nach der Kreuzigung (der bewußte Betrug wird psychologisch durch das gesamte frühere und weitere Verhalten der Jünger, ebenso aber gerade durch die Uneinheitlichkeit der Auferstehungsberichte ausgeschlossen! Der Selbstbetrug durch visionäre Zustände ist durch die anfänglich durchweg ungläubig-skeptische Ablehnung der Botschaft durch die Jünger [Lk 23, 11 u. ö.], wie auch durch die große Anzahl und durch die Art der Erscheinungen für den unbefangenen Historiker so gut wie unmöglich gemacht). So wird die Entscheidung des Historikers in dieser Sache, die wissenschaftlich so rätselhaft bleibt, von weltanschaulichen Voraussetzungen diktiert sein. Damit verliert sie aber für den Glauben, der sich auf Gottes Handeln in der Geschichte gründet, an Interesse und Gewicht.
So bleibt für die Welt ein zwar unlösbares Rätsel zurück, das aber an sich keineswegs den Glauben an die Auferstehung Jesu erzwingen kann. Dem Glauben aber ist dieses Rätsel ein Zeichen für die Wirklichkeit, von der er schon weiß, ein Abdruck göttlichen Wirkens in der Geschichte. Die Forschung kann die Auferstehung Jesu weder beweisen noch entkräften; denn sie ist ein Wunder Gottes. Der Glaube aber, dem sich der Auferstandene als der Lebendige bezeugt, erkennt gerade in dem Zeugnis der Schrift die Geschichtlichkeit der Auferstehung als ein Handeln Gottes, das sich in seiner Wunderbarkeit der Wissenschaft nur als Rätsel darstellen kann. Die Gewißheit der Auferstehung empfängt der Glaube allein aus dem gegenwärtigen Christuszeugnis. Seine Bestätigung findet er in den geschichtlichen Abdrücken des Wunders, wie sie die Schrift berichtet. – Es ist die Gnade Jesu Christi, daß er sich der Welt noch nicht sichtbar offenbart; denn in demselben Augenblick, in dem das geschähe, wäre das Ende und damit das Gericht über den Unglauben da. So entzieht sich der Auferstandene jeder sichtbaren Ehrenrettung vor der Welt. In seiner verborgenen Herrlichkeit ist er bei seiner Gemeinde und läßt sich aller Welt durch das Wort bezeugen, bis er am jüngsten Tag sichtbar für alle Menschen zum Gericht wiederkommen wird.
Quelle: Dietrich Bonhoeffer Werke, Band 16: Konspiration und Haft 1940-1945, hrsg. von Jørgen Glenthøj, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 1996, S. 471–474.